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Ansicht der Kartause Ittingen aus Klosterneuburg

Herstellungsjahr: um 1730

Technik: Ölgemälde

Ebenfalls Teil einer grossen Serie von 35 Kartausendarstellungen ist ein Ölgemälde, das heute im Stift Klosterneuburg bei Wien aufbewahrt wird.64 Die Bildreihe entstand um 1730 bis 1750 und stammt mit grosser Wahrscheinlichkeit aus der Wiener Kartause Mauerbach. Die Bilder sind unterschiedlich akkurat in ihrer Wirklichkeitstreue. So heisst es etwa, dass die belgischen Kartausen kein getreues Abbild der Realität seien.65 Diese Abweichungen hängen vermutlich davon ab, welche Vorlagen der Maler zur Verfügung hatte.
Für die Ansicht von Ittingen gilt, dass sie im Grossen und Ganzen recht gut stimmt; einige Details lassen aber vermuten, dass der Maler die Kartause nicht persönlich gekannt hat. So hat er zwischen den Bauten an der Westseite des Wirtschaftshofs mehr Freiraum gelassen. Insbesondere hat er die Erweiterung des Altarhauses der Kirche wie ein mächtiges Querschiff gestaltet. Am Südflügel der Konventbauten ist der Quergiebel zu sehen, der möglicherweise in Wirklichkeit bereits nicht mehr existierte. Auch das Südportal dürfte eher der Vorstellung des Malers als der Wirklichkeit entsprochen haben: Hier stehen seitlich elegante Säulen, im Scheitel befindet sich eine barocke Kartusche und in der Mitte des gesprengten Giebels eine unbestimmbare Figur. Auch der Hügel hinter den Bauten entsprang wohl der Fantasie des Künstlers.
Eine bedeutende bauliche Veränderung aber hat nach 1715 stattgefunden, die auf dem Bild ihren Niederschlag gefunden hat: Der Westflügel der Konventbauten wurde 1728 vollständig erneuert. Dem barocken Gestaltungswillen entsprechend hat er ein symmetrisches Aussehen erhalten. Der neue Westflügel kam westlich des Kreuzgangs zu liegen, sodass das alte Eingangsportal zur Kirche im Innern des kleinen Kreuzgangs verschwand. Als Gegengewicht zum vorspringenden Südflügel entstand der Risalit, dessen französisch inspiriertes Mansarddach damals in der Region eine sehr innovative Bauform war. Das bisherige Kellerhaus wurde durch den Risalit ersetzt; das mächtige Tor im Parterre führte nun zur Treppe in den neuen grossen Keller, der mit dem bestehenden Keller nördlich der Kirche verbunden war. Der alte Pferdestall, der 1715 noch an die Mühle anschloss, ist verschwunden, der neue an der Südmauer wurde jedoch offenbar noch verlängert.

Wie in allen Gemälden der Serie gibt eine Kartusche am unteren Bildrand an, um welche Kartause es sich handelt. Mit Nummern sind die wichtigsten Bauten bezeichnet. Die lateinischen Inschriften sind jedoch weniger ausführlich als auf der Zeichnung von 1715. Die Mitte nimmt ein gekrönter Wappenschild mit einem stehenden Laurentius ein. Der Text lautet:
Links: «CARTUSIA S. LAURENTIJ / MARTIJRIS IN ITTINGEN, / SITA IN LANDGRAVIATU / INFERIORIS TURGOVIAE, INTER / TAURICUM ET RHENUM.» (Kartause Sankt Laurentius Märtyrer in Ittingen, gelegen in der Landgrafschaft Unterer Thurgau, zwischen Thur und Rhein)
Mittlere Kartusche links: 1. ECCLESIA (Kirche). 2. PRIORATUS (Priorat). / 3. PROCURATURA (Procuratur, Schaffnerei). 4. BIBLI-/ OTHECA ET CAPIT: (Bibliothek und Kapitelsaal). 5. / REFECTORIUM (Refektorium, Speisesaal). / 6. CUBICULA HOSTIUM (Gästezimmer). 7. TORCU-/LARIA (Torkel, Weinpresse). 8. EQUILE (Pferdestall).
Mittlere Kartusche rechts: 9. HORREUM (Speicher). 10. PECULARIUM (Kleinviehstall). / 11. MOLAENDINUM ET PISTRINA (Mühle und Pfisterei). / 12. CELLARIUM (Keller). 13. HORTUS / OLERUM (Krautgarten). 14. CELLAE (Zellen). 15. CLAUS-/TRUM (Kreuzgang). 16. VIETORIA (Küferei). 17. HIPOCAUSTUM FAMILIAE (Knechtenstube).
Rechts: 18. FONS (Brunnen, Fischgehalter). 19. PORTARIUM (Pforte). 20. / CULINA (Küche).

64 Alle schwarz-weiss abgebildet in: Hogg, The Klosterneuburg Collection.
65 De Grauwe, Tableaux.