Standort: Kirche
Die Klosterkirche, in der sich die Ittinger Kartäuser täglich mehrmals für lang dauernde Gottesdienste versammelten, ist Höhepunkt und Herzstück der ganzen Anlage und damit auch der Ittinger Bilderwelt. In der Kirche mit ihrer überwältigenden Fülle an Schmuck wird das Anliegen der barocken Welt sichtbar. Architektur, Malerei und Plastik sind miteinander verflochten und bezeugen das Lob Gottes. Formen, Farben und Lichtführung wirken zusammen im Dienst einer einzigen Aufgabe: All dies soll die Menschen erheben, sie befreien von der Erdenschwere, sie lösen von der lastenden Sünde und auf die Gnade Gottes hinweisen. Der Blick geht schon beim Eintritt in die Kirche nur in eine Richtung: vom Dunkeln nach vorn zum Licht, zum Hochaltar und zum leuchtenden Gelb der Gloriole mit dem Herzen Jesu.
Dem Bildprogramm der Kirche hat Hans Peter Mathis einen umfassenden, grundlegenden Aufsatz gewidmet, der es – abgesehen von den hier mitberücksichtigten Chorgestühlen – gesamthaft betrachtet.49
Trotz der einheitlichen Gestaltung der Kirche sei nicht vergessen, dass sie stets in mindestens zwei Bereiche aufgeteilt war, getrennt durch den Lettner. Die Zellenmönche hielten sich vorwiegend im vorderen Teil auf, wo der Blick auf das geistige Zentrum, den Hochaltar, gerichtet werden konnte, was der Lettner im hinteren Teil der Kirche verhinderte. Dieser hintere Teil wurde im 18. Jahrhundert nochmals aufgeteilt und mit einem Gitter abgetrennt, vor dem die Laienbrüder in einem eigenen Chorgestühl Gottesdienst feiern konnten, während dahinter die weltlichen Angestellten, wie etwa die Knechte, stehend Platz fanden.
Der heutige Bilderschmuck entstand zum weitaus grössten Teil in den Jahren um 1763, während die Aussenmauern noch aus der Zeit des Wiederaufbaus von 1549 bis 1552 nach dem Ittinger Sturm stammen; der Chorbereich ist ein Anbau von 1703. Das grosse Chorgestühl und zugehörige Teile entstanden um 1700. Davon abgesehen triumphiert die üppige Pracht des Rokokos der 1760er-Jahre.
Die Bildthemen bestimmte wohl wie in den meisten Fällen der Auftraggeber, also der Prior oder ein anderer kundiger Mönch in Zusammenarbeit mit den ausführenden Künstlern. Deren Namen sind bekannt. Für das Chorgestühl war die Werkstätte von Chrisostomus Fröhli in den Jahren vor 1700 zuständig. Das Bruderchorgestühl von 1766 stammt vom Laienbruder Josephus Grimbach, vielleicht unter Mitarbeit des Schreiners Hugo Hostmann, ebenfalls Laienbruder. Für den Gesamtschmuck der Klosterkirche war 1763 bis 1767 ein eingespieltes Team im Einsatz: Franz Ludwig Herrmann malte die Bilder, Mathias Faller baute die Altäre, die Stuckateure Gebrüder Gigl schufen die Rocaillen. Durch ihre enge Zusammenarbeit entstand der einheitliche Gesamteindruck, der die ältere Bauhülle und die wenigen älteren Bestandteile in die barocke Ausgestaltung integriert.
Am Chorbogen zwischen Priester- und Bruderchor ist eine Inschrift angebracht: «Vere DoMInVs est / In LoCo IsthoC / Gen. 28, V. 16.» (Wahrlich ist der Herr an diesem Ort. 1. Mose 28, 16). Der Bibelvers ist der Anfang des Satzes, den Jakob nach seinem Traum von der Himmelsleiter sprach. Die römischen Zahlbuchstaben ergeben das Jahr der Neuausschmückung der Kirche, 1763.
49 Mathis, Vita Cartusiana.