Die Kartäuser übernehmen Ittingen
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Herstellungsjahr: um 1625
Technik: Illustration aus dem Klosterband
Masse: 24 × 14,2 cm
Zu Beginn des dritten Buches seiner Elegien schildert Modelius die Übernahme des Klosters durch die Kartäuser und die Taten des ersten Priors, der viele Neu- und Umbauten ausführte. Der Übergang ist historisch gut belegt. Im 15. Jahrhundert verarmte das nie recht bedeutsame Stift völlig. Der Bischof von Konstanz suchte eine Lösung, um es nicht untergehen zu lassen. Als Retter trat der Kartäuserorden auf den Plan, denn Ittingen lag günstig an der Reiseroute der Prioren von Buxheim zur Grande Chartreuse. Zudem drohten die slowenischen Kartausen von den Osmanen überrannt zu werden, weswegen man für eine allfällige Flucht Vorsorge treffen wollte. So übernahm der Orden 1461 das Kloster und richtete es als Kartause ein.88 Den Klosterpatron Laurentius übernahmen die neuen Mönche.
Die dritte Geschichtsminiatur zeigt, wie der letzte Augustinerpropst Wilhelm Neidhart im Jahr 1461 das Kloster an zwei Kartäuser übergibt.89 Seit dem 16. Jahrhundert berichtet die Geschichtsschreibung der Ittinger Kartäuser von einem «Kauf» des Klosters, wovon in rechtlicher Hinsicht und angesichts der zeitgenössischen Quellen nicht die Rede sein kann, denn das Klostergut war Stiftungsgut, kein Handelsgut.90 Die Kartäuser entschädigten die verbliebenen Chorherren, die mit dieser Zuwendung in ein anderes Kloster ihres Ordens übertreten konnten. Der «Kauf» jedoch fliesst auch in diese Darstellung ein: Der Propst überreicht dem einen Kartäuser, der mit einem Geldbeutel dasteht, den gesiegelten Vertrag. Der andere Mönch hält einen Wanderstab, denn die neuen Bewohner kommen gemäss klösterlicher Überlieferung von weit her, aus Slowenien. Hinter dem Propst steht ein kleiner Bursche in vornehmer Kleidung, vor ihm sein persönliches Wappen. Im Hintergrund wird am Kloster gebaut, denn die Kartäuser benötigten in ihrer Anlage einen grossen Kreuzgang sowie Einsiedlerzellen in Form kleiner Häuschen. Ganz links sind bereits deren zwei mit ihren aufragenden Kaminen zu sehen, angefügt an den Anfangstrakt des grossen Kreuzgangs. Der zweiflüglige, abgewinkelte Konventbau ist nun weiter nach rechts gerückt, zwischen ihn und die Kirche hat sich der Westflügel der Klosteranlage geschoben. Der Maler aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts bildete wohl weitgehend die zeitgenössische Kartause ab, obwohl er hier den Anfang von 1461 darstellen sollte und damit das Kloster, das im Ittinger Sturm 1524 zugrunde gerichtet wurde.91 Die Grundzüge der Anlage waren aber wohl tatsächlich vor und nach der Zerstörung die gleichen, denn der Wiederaufbau mag auf den Trümmern der alten Mauern erfolgt sein. Die Anordnung der Bauteile ist gut erkennbar. Der Hintergrund ist analog jenem der beiden vorigen Bilder gestaltet, samt der Kapelle von Warth. Es ist die kleine Kirche, die sich die Bevölkerung von Warth 1471, zehn Jahre nach der Übernahme des Klosters, erstreiten sollte. Zur Zeit der Augustiner durfte nämlich die benachbarte Bevölkerung jeweils den Gottesdienst in der Klosterkirche besuchen. Nachdem die Kartäuser das Kloster übernommen hatten, verwehrten sie gemäss ihren Satzungen dem Volk und insbesondere den Frauen den Zutritt zur Kirche und verwiesen es auf die Leutkirche Uesslingen, eine knappe Wegstunde von Warth entfernt. Da kam es zu einem Aufruhr. Die Warther bestanden auf ihrem Gewohnheitsrecht und verschafften sich mit ihren Frauen Zutritt zur Klosterkirche. Der Streit beschäftigte sogar die eidgenössische Tagsatzung, die den Prior als Kompromiss zum Bau einer eigenen Kapelle zwischen dem Kloster und Warth verpflichtete. Er führte den Auftrag aus, und seither erhebt sich die Dorfkirche Warth auf der Anhöhe über den Reben.
88 Ackermann, Krise und Neugründung.
89 Chronicon Ittingense, 24 × 14,2 cm.
90 Ich danke Felix Ackermann für diesen Hinweis.
91 Kamber, Ittinger Sturm.