Die Geschichte Ittingens
Erstellt von: Georg Röttinger
Herstellungsjahr: 1909
Technik: Glasmalerei
Die drei Geschichtsminiaturen wurden im frühen 20. Jahrhundert weiteren Kreisen bekannt. Sie wurden zusammen mit zwei weiteren Bildern aus Antonius von Seilerns Chronicon 1901 erstmals in einer Schweizer Zeitschrift publiziert und abgebildet.92 Victor Fehr, der damalige private Besitzer Ittingens, dürfte diese Abbildungen gesehen und sich ähnliche Darstellungen gewünscht haben. Jedenfalls fertigte der Zürcher Glasmaler Georg Röttinger (1862–1913) fünf Glasgemälde an, die diesen Miniaturen nachgeschaffen sind. Sie hängen heute im kleinen Kreuzgang der Kartause.93 Die fast drei Jahrhunderte jüngeren Glasgemälde wirken spröder und trockener als die Miniaturen; das lag nicht nur an der veränderten Kunstauffassung, sondern auch daran, dass eine Kopie in aller Regel weniger spontan sein kann, weil sich der Künstler an einem Vorbild orientieren muss und nicht seiner eigenen Schöpferkraft freien Lauf lassen darf. Zudem verlangte die Glasmalerei eine präzisere Strichführung als das Arbeiten auf Papier. Für die Farben musste sich Röttinger wohl auf die recht genaue Farbbeschreibung im Artikel verlassen. Zudem fügte er die Bilder in eine für die Glasmalerei typische Rahmenarchitektur ein.
Beim ersten Glasbild mit der Burg der Truchsesse liess Röttinger den Knaben neben dem Wappen weg.94 Ob er in Absprache mit dem Auftraggeber bewusst auf den Hinweis zum sagenhaften kindlichen Brudermord als Anlass der Klostergründung verzichten wollte? Verzichtet hat er im zweiten Bild, dem Bau des Augustinerstifts, auch auf einen Augustinermönch, der beim Bauauftrag dabeisteht, und auf zwei weitere Chorherren im Hintergrund vor der Kirche.95 Tat der Künstler dies bewusst, um das Glasbild für den reformierten Victor Fehr nicht klösterlicher als unbedingt nötig wirken zu lassen? Die beiden Heiligen Laurentius und Augustinus samt ihren Attributen, Rost sowie Kind mit Löffel, hat er aus den Wolken der Vorlage in die Zwickelbilder seiner Glasscheibe versetzt. Auch auf der dritten Scheibe mit dem Motiv des Übergangs an die Kartäuser liess Röttinger einige Details weg, so wiederum einen Knaben oder Diener im Vordergrund, aber auch den Baubetrieb links im Hintergrund.96
Für das Publikum in Ittingen bieten die Glasgemälde heute die Möglichkeit, diese Geschichtsbilder überhaupt zu sehen, deren Vorbilder in der Grande Chartreuse vor der Öffentlichkeit verborgen sind.
92 Massiac, chronique.
93 Stiftung Kartause Ittingen, Inv. SKI 152–156.
94 44 × 35 cm.
95 44,2 × 35 cm.
96 46,1 × 35 cm.