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Beweinung Jesu und Pietà mit Engeln

Herstellungsjahr: 1625–1650

Technik: Ölgemälde

Ein Ölgemälde des 17. Jahrhunderts stellt die Beweinung Christi dar.177 Der Leichnam Jesu, soeben vom Kreuz genommen, wird betrauert und für die Grablegung vorbereitet. Als Vorlage für die Hauptszene diente dem unbekannten Maler ein Stich von Lucas Kilian nach einem Ölgemälde von Joseph Heintz dem Älteren, datiert auf 1608, benannt meist als «Pietà mit Engeln».178 Dank des Stichs fand die Bildidee, die letztlich auf Michelangelo zurückgeht, weite Verbreitung. Wolfgang Minaty zählt über ein Dutzend Malereien auf, die der Stichvorlage folgen.179 Der Maler unserer Tafel ging recht frei mit der Vorlage um. Die beiden oben schwebenden Putten liess er weg, die vier Engel, die sich um den Leichnam Jesu und um Maria kümmern, verwandelte er in irdische Personen. Dabei könnten die beiden Frauen im Vordergrund die legendären Schwestern Marias sein, die ebenfalls Maria hiessen. Hinter ihnen sind seitlich der trauernden Muttergottes statt der weiteren zwei Engel rechts Johannes, links Maria Magdalena mit der Salbbüchse zu identifizieren. Zwischen ihnen erscheint das Gesicht eines bärtigen Mannes mit Turban, zweifellos Joseph von Arimathia. Am Kreuzbalken lehnt die Leiter der Kreuzabnahme. Zudem ergänzte unser Maler die Hauptszene durch Nebenschauplätze im Hintergrund. Links ist das Felsengrab zu sehen, davor zwei gestikulierende Personen, von denen die eine nochmals Maria Magdalena sein könnte, die zum Grab ging, um den Leichnam zu salben. Sie hält eine Schale in der linken Hand und weist mit der Rechten zum offenen Grab. Sie ist durch einen zarten ringförmigen Heiligenschein ausgezeichnet. Ihr gegenüber kniet ein Mann mit Turban – nochmals Joseph von Arimathia, der Besitzer des Grabes? Rechts erblickt man eine Stadt, wohl Jerusalem, und weitere Personen, unter denen man die beiden Emmausjünger vermuten könnte. Diese Nebenszenen sind schwer zu erkennen. Jedenfalls verwandeln sie das ursprüngliche Andachtsund Repräsentationsbild in ein religiöses Historienbild, das nicht mehr nur zu Mitleid und Versenkung in den Tod Jesu auffordern möchte, sondern auch eine Geschichte erzählt.180
Das Gemälde wurde bei der Klosteraufhebung vom Kanton an sich genommen und befindet sich im Bestand des Historischen Museums, allerdings mit der Angabe, es stamme aus Kreuzlingen. Da aber Johann Caspar Mörikofer in seinem Bericht über die Thurgauer Klöster an die Regierung181 eine Kreuzabnahme nach Albrecht Dürer in Ittingen erwähnt, muss es sich um dieses Gemälde handeln, ist doch auf einem im Vordergrund dargestellten Zinnteller als spätere Zutat das Dürer-Monogramm aufgemalt.

177 Historisches Museum Thurgau, Inv. T 120, Öl auf Holz, Bildspiegel 105 × 155 cm.
178 Tanner, Beweinung. Stich im Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig, 43,7 × 25,3 cm.
179 Minaty, Italiener – ein Deutscher?
180 Tanner, Beweinung, 9-10.
181 Abgedruckt in Rittmeyer, Kirchenschätze, S. 59–65.